Ar­beit­ge­ber in Sor­ge: 2022 ha­gel­te es Ab­sa­gen von Be­wer­bern

Fach­kräf­te drin­gend ge­sucht! Vie­le Job­su­chen­de sprin­gen wäh­rend des Be­wer­bungs­pro­zes­ses ab. Ar­beit­ge­ber sind in gro­ßer Sor­ge, der Fach­kräf­te­man­gel nimmt im­mer schär­fe­re Züge an.

Über 60 Pro­zent der Un­ter­neh­men hat­ten im ver­gan­ge­nen Jahr Ab­sa­gen von Be­wer­bern zu be­kla­gen. Der Groß­teil der Per­so­nal­ent­schei­der be­fürch­tet: 2023 wird sich der Fach­kräf­te­man­gel wei­ter zu­spit­zen.

  • Vie­le Job­su­chen­de sprin­gen wäh­rend des Be­wer­bungs­pro­zes­ses ab
  • „Die Macht­ver­hält­nis­se am Ar­beits­markt ha­ben sich ver­än­dert – Un­ter­neh­men ha­ben nicht mehr die Trümp­fe in der Hand“.
  • Zu­kunfts­trends 2023: Ac­ti­ve Sourcing, Re­ten­ti­on Ma­nage­ment und Ta­lent Poo­ling im kom­men­den Jahr wich­ti­ger 

Nach Mei­nung der HR-Ver­ant­wort­li­chen in Deutsch­lands Un­ter­neh­men wird der jetzt schon gra­vie­ren­de Fach­kräf­te­man­gel in Deutsch­land wei­ter zu­neh­men: Zwei von drei Per­so­nal­ent­schei­dern ge­hen da­von aus, dass sich die Si­tua­ti­on im nächs­ten Jahr noch ver­schär­fen wird (67 %). Be­son­ders aus­ge­prägt ist die Sor­ge bei Un­ter­neh­men mit über 250 Be­schäf­tig­ten – dort den­ken drei von vier Per­so­na­lern, dass sich die kri­ti­sche Lage am Ar­beits­markt 2023 wei­ter ver­schär­fen wird (78 %). Schon heu­te ha­ben über 60 Pro­zent der Per­so­nal­ent­schei­der die Er­fah­rung ge­macht, dass ih­nen Ta­len­te wäh­rend des Be­wer­bungs­pro­zes­ses ab­sprin­gen. Zu die­sen The­men be­frag­te for­sa deutsch­land­weit 500 Per­so­nal­lei­ter in Un­ter­neh­men ab 50 Mit­ar­bei­tern.

Am we­nigs­ten zu­ver­sicht­lich bli­cken da­bei Per­so­nal­lei­ter aus dem Ge­sund­heits- und So­zi­al­we­sen in die Zu­kunft. In die­sem Be­reich sind 71 Pro­zent der Be­frag­ten der Mei­nung, dass sich der Fach­kräf­te­man­gel im kom­men­den Jahr wei­ter ver­schär­fen wird, wei­te­re 23 Pro­zent da­von aus­ge­hen, dass die Si­tua­ti­on so kri­tisch bleibt, wie sie zur­zeit schon ist. Auch in an­de­ren Bran­chen be­wer­ten die ver­ant­wort­li­chen Per­so­na­le­rin­nen und Per­so­na­ler die Aus­sich­ten eher trüb: 65 Pro­zent der Be­frag­ten in der In­dus­trie und 68 Pro­zent der Be­frag­ten im Dienst­leis­tungs­be­reich glau­ben, dass es im kom­men­den Jahr schwie­ri­ger wird, neue Mit­ar­bei­ten­de zu fin­den. Das In­sti­tut für Ar­beits­markt- und Be­rufs­for­schung geht der­zeit von 1,82 Mil­lio­nen of­fe­nen Stel­len aus (Stand: IAB No­vem­ber 2022).

„Die Macht­ver­hält­nis­se am Ar­beits­markt ha­ben sich ver­scho­ben. Un­ter­neh­men ha­ben nicht mehr die Trümp­fe in der Hand. Heu­te be­wer­ben sich Un­ter­neh­men bei Ta­len­ten, nicht Ta­len­te um Jobs“, sagt Frank Hass­ler, Vor­stands­mit­glied der NEW WORK SE, ver­ant­wort­lich für die Ge­schäfts­fel­der Re­crui­ting und Em­ploy­er Bran­ding. „Un­ter­neh­men ha­ben hier we­nig Spiel­raum für Feh­ler und müs­sen sehr ge­nau schau­en, wie sie ihr Re­crui­ting zeit­ge­mäß und stra­te­gisch auf­stel­len“, so Hass­ler wei­ter.

Vie­le Job­su­chen­de sprin­gen wäh­rend des Be­wer­bungs­pro­zes­ses ab

Wie drin­gend ein Um­den­ken nö­tig ist, zeigt auch die Tat­sa­che, dass fast je­der Per­so­nal­lei­ter (90 %) in die­sem Jahr die Er­fah­rung ge­macht hat, dass ihm Be­wer­ben­de wäh­rend des lau­fen­den Be­wer­bungs­pro­zes­ses ab­ge­sagt ha­ben. So be­stä­tigt je­der drit­te HR-Ver­ant­wort­li­che (37 %), dass in den letz­ten zwölf Mo­na­ten ge­le­gent­lich Kan­di­da­tin­nen und Kan­di­da­ten ab­ge­sagt hät­ten und 24 Pro­zent der Be­frag­ten ge­ben an, dass dies so­gar häu­fig bis sehr häu­fig vor­ge­kom­men sei­en.

Die Grün­de für die Ab­sa­gen sind da­bei viel­fäl­tig und rei­chen von ei­nem bes­se­ren An­ge­bot der Kon­kur­renz, über feh­len­de Fle­xi­bi­li­tät der Ar­beit­ge­ber (Stich­wort Ar­beits­mo­del­le, Home-Of­fice u.a.) bis zu pro­zes­sua­len Grün­den, wie ei­nem als zu auf­wän­dig emp­fun­de­nen Be­wer­bungs­pro­zess. Nicht von Vor­teil ist es da­bei si­cher­lich, dass HR­ler ei­nen Groß­teil ih­rer Zeit auf ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­ga­ben wie Ge­halts­ab­rech­nun­gen (61 %) und die Or­ga­ni­sa­ti­on und Ko­or­di­na­ti­on von Be­wer­bungs­pro­zes­sen ver­wen­den müs­sen (67 %). „Vie­le Per­so­nal­ab­tei­lun­gen sind heu­te durch ad­mi­nis­tra­ti­ve Zeit­fres­ser über­las­tet. Un­ter­neh­men soll­ten hier in­tel­li­gen­te Wege ge­hen und Lö­sun­gen fin­den, wie sie ihre Füh­rungs­kräf­te bes­ser ent­las­ten kön­nen“, so Frank Hass­ler.

Zu­kunfts­trend New Hi­ring: Re­ten­ti­on Ma­nage­ment, Ac­ti­ve Sourcing und Ta­lent Poo­ling wer­den 2023 wich­ti­ger

Wenn auf dem Ar­beits­markt zu­neh­mend die Ta­len­te feh­len, wer­den die Maß­nah­men zur Bin­dung be­stehen­der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter im­mer wich­ti­ger. Da­her sind zwei von drei Per­so­nal­ver­ant­wort­li­chen in Deutsch­land der Mei­nung, dass Mit­ar­bei­ter­bin­dungs­maß­nah­men im kom­men­den Jahr an Be­deu­tung ge­win­nen wer­den (65 %). Auf der Lis­te der Tä­tig­kei­ten, für die sie ger­ne mehr Zeit hät­ten, steht das so ge­nann­te Re­ten­ti­on Ma­nage­ment mit 53 Pro­zent eben­falls ganz oben.

Das früh­zei­ti­ge Iden­ti­fi­zie­ren und pro­ak­ti­ve An­spre­chen mög­li­cher Be­wer­be­rin­nen und Be­wer­ber wird 2023 eben­falls re­le­van­ter: Zwei Drit­tel der HR-Ver­ant­wort­li­chen sind der Mei­nung, dass Ac­ti­ve Sourcing wich­ti­ger wird (64 %). Das gilt ins­be­son­de­re für Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che in Un­ter­neh­men ab 250 Be­schäf­tig­ten (74 %). Zu­dem se­hen sie eine Re­crui­ting-Chan­ce im so ge­nann­ten Ta­lent Poo­ling, also dem früh­zei­ti­gen Iden­ti­fi­zie­ren po­ten­zi­el­ler Kan­di­da­ten, um sie spä­ter bei Be­darf an­zu­spre­chen (60 %). Aber auch klas­si­sche HR-Maß­nah­men wie Coa­ching und Wei­ter­bil­dung von Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­tern (63 %) so­wie Füh­rungs­kräf­ten (54 %) wer­den im kom­men­den Jahr wich­ti­ger, eben­so wie Em­ploy­er-Bran­ding-Maß­nah­men (49 %).

Zu­dem könn­ten im kom­men­den Jahr neue Re­crui­tin­g­ka­nä­le eine Chan­ce be­kom­men: 56 Pro­zent der Per­so­nal­lei­ter sind dar­an in­ter­es­siert, den Be­wer­bungs­pro­zess zu ver­ein­fa­chen und zu be­schleu­ni­gen – bei­spiel­wei­se durch Be­wer­bun­gen via Whats­App oder an­de­rer So­cial-Me­dia Ka­nä­le. In Un­ter­neh­men ab 250 Be­schäf­tig­ten ha­ben fast drei Vier­tel der Be­frag­ten In­ter­es­se dar­an (72 %).

Und ein Drit­tel der Be­frag­ten sagt, dass „Data Ana­ly­tics und Re­port­ing“ in der HR-Welt im kom­men­den Jahr wei­ter an Be­deu­tung ge­winnt. „HR-Tech ist ei­nes der zen­tra­len Trend­the­men in Un­ter­neh­men. In Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels ist der Ein­satz in­tel­li­gen­ter Tech­no­lo­gien un­ab­ding­bar, um eine Chan­ce auf dem Be­wer­ber­markt zu ha­ben“, so Frank Hass­ler. Denn un­glück­li­cher­wei­se schätzt je­der zwei­te Per­so­nal­ver­ant­wort­li­che gleich­zei­tig, dass die Ad­mi­nis­tra­ti­on und Ko­or­di­na­ti­on von Be­wer­bungs­pro­zes­sen 2023 als Auf­ga­be wei­ter an Be­deu­tung ge­winnt (50 %).

Die Un­ter­neh­mens­kul­tur macht den Un­ter­schied

Auf die Fra­ge, was in ih­rem Un­ter­neh­men Be­schäf­tig­te dazu be­wegt, dau­er­haft zu blei­ben, ant­wor­ten HR-Ver­ant­wort­li­che, dass es so­ge­nann­te wei­che Fak­to­ren sei­en: Ne­ben Ar­beits­at­mo­sphä­re und Un­ter­neh­mens­kul­tur wer­den hier vor al­lem Job-Zu­frie­den­heit (80 %) und Ver­ein­bar­keit von Be­ruf und Pri­vat­le­ben (71 %) als aus­schlag­ge­bend ge­se­hen.

Per­so­na­ler müs­sen die Zeit und die Res­sour­cen ha­ben, sich noch mehr mit The­men zu be­schäf­ti­gen, die Men­schen am Her­zen lie­gen, statt vor­wie­gend über Geld zu spre­chen.

Die Höhe des Ge­halts se­hen nur 54 Pro­zent als ei­nen der Haupt-Blei­be­grün­de an. Trotz­dem wird in Per­so­nal­ge­sprä­chen meist ge­nau dar­über ge­re­det: mit 75 Pro­zent ist die Höhe des Ge­halts Top-The­ma, ge­folgt von Ge­sprä­chen über Ar­beits­auf­ga­ben und be­ruf­li­chen Per­spek­ti­ven (73 %) so­wie Job­zu­frie­den­heit (70 %). „Per­so­na­ler müs­sen die Zeit und die Res­sour­cen ha­ben, sich noch mehr mit The­men zu be­schäf­ti­gen, die Men­schen am Her­zen lie­gen, statt vor­wie­gend über Geld zu spre­chen. Nur so ent­steht ech­te Mit­ar­bei­ter­bin­dung, die Be­schäf­tig­te zum Blei­ben mo­ti­viert“, so Frank Hass­ler.

Quel­le: Xing