Nur wenige Deutsche ziehen Handwerksberuf in Betracht
Jobmöglichkeiten? Ja. Interesse? Nein. Obwohl Handwerksberufe in Deutschland sehr präsent sind, möchte kaum jemand sie selbst ergreifen. In anderen Ländern ist das ganz anders.
In Deutschland ziehen im internationalen Vergleich nur relativ wenige Menschen einen Handwerksberuf in Betracht. Insbesondere die Gehaltsaussichten in der Branche werden hierzulande schlechter eingeschätzt als in anderen Ländern, wie eine am Montag veröffentlichte Untersuchung des Technologiekonzerns 3M und des Marktforschungsinstituts Ipsos zeigt.
Für die Studie wurden in 17 Ländern jeweils rund tausend Menschen aus unterschiedlichen Branchen befragt – darunter in Deutschland, Frankreich, den USA, Großbritannien, Brasilien, Indien und Mexiko. Die Daten wurden zwischen September und Dezember 2021 erhoben.
Zehn Prozent der Befragten aus Deutschland sind demnach selbst in einem Handwerksberuf tätig. Weitere 18 Prozent haben schon einmal über eine Laufbahn in der Branche nachgedacht. Den Autor:innen der Studie zufolge ist dies der niedrigste Wert aller untersuchten Länder.
Fast drei Viertel der Befragten (72 Prozent) gaben dagegen an, sie seien nicht im Handwerk tätig und hätten auch noch nie darüber nachgedacht. Zum Vergleich: In Frankreich waren es 56 Prozent.
Zudem glauben nur 49 Prozent der Befragten in Deutschland, dass sie mit einer Handwerksausbildung ähnlich gut verdienen könnten wie mit einem Beruf, der einen Hochschulabschluss erfordert. Auch das sei der niedrigste Wert unter den untersuchten Ländern, heißt es in der Studie.
Handwerk keine Option
Dabei fehlt es offenbar nicht an der Wahrnehmung von Chancen im Handwerk: 87 Prozent der deutschen Befragten sehen in der Branche viele Jobmöglichkeiten, das sind etwas mehr als im weltweiten Schnitt. 53 Prozent gaben aber an, sie verfolgten andere berufliche Interessen. 20 Prozent bezweifelten, dass sie im Handwerk genug Geld verdienen würden.
Das Handwerk in Deutschland beklagt schon lange, dass sich viele junge Menschen für ein Studium anstelle einer Ausbildung entschieden. Erst Ende Juli hatte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer angesichts des Fachkräftemangels eine »Bildungswende« in Deutschland gefordert.
Er gehe von einer Viertelmillion Fachkräften aus, die im Handwerk fehlen, und warnte vor einer »Überakademisierung«. Man müsse weg von der Vorstellung, dass nur ein Studium Erfolg bringen könne, so die Forderung des Branchenpräsidenten.
Quelle: Spiegel-Online